Jürgen Vogel - zwischen Genie und Trash!?

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Franky70

Guest
Für mich ist Jürgen Vogel einer der besten deutschen Schauspieler.
Umso fragwürdiger finde ich, dass er sich in der "Schillerstrasse" zum Horst macht und damit (möglicherweise) viel von seiner Ausstrahlung verliert.
Besteht die Gefahr? Wie seht ihr das?

Hier ein Interview zum Thema (April 2009)

Focus: Herr Vogel, ist Ihr Karriereberater suizidgefährdet?

Vogel: Ich hab ja gar keinen.

Focus: Dann muss er sich schon umgebracht haben. Ihre Auftritte bei Uri Geller, bei Hugo Egon Balder – da ist der Weg hinunter zu „Dschungelcamp“ und Promi-Geköchel nicht weit.

Vogel: Schranken existieren nur im Kopf. Sie halten mich nicht ab. Im Gegenteil: Sie provozieren mich, etwas zu tun. Wer auf die Bedenkenträger hört, für den wird die Welt verdammt eng.

Focus: Was wäre aus Jürgen Vogel geworden, wenn er gemacht hätte, was man ihm sagt?

Vogel: Gar nichts. Ne Null. Jahre-lang hatte ich Angst. Da bin ich nachts aufgewacht und habe gedacht: Jetzt kommt die Welt darauf, dass ich nichts kann. Es ist ja wahr. Ich kann nichts. Außer einem: Ich traue mich.

Focus: Die Realschule haben Sie nach dem 16. Geburtstag abgebrochen.

Vogel: Ja.

Focus: Die Schauspielschule nach einem Tag beendet.

Vogel: Ich wollte da nicht drei Jahre meines Lebens verschwenden. Ich bin mit 20 Vater geworden, ich musste Geld verdienen. Die wollten Theater lehren. Das hat sich nicht gut angefühlt.

Focus: Zur Strafe steht einer wie Sie, der nie auf die Bühne wollte, im Fernsehen auf der Bühne und improvisiert für die „Schillerstraße“.

Vogel: Das war nicht einfach. Zumindest muss ich nicht wochenlang Texte lernen, da hätte ich Panik.

Focus: Erstens: Jürgen Vogel kann nichts. Zweitens: Er hat nichts gelernt. Und drittens: Er ist ein fauler Hund.

Vogel: Faul? Na ja, faul würde ich nicht sagen, es ist eine andere Sache. Ich mag es nicht, das Gelernte herunter-zuspulen. Ich will in ein Stadium kommen, wo der Text, den ich gelernt habe, einfach aus mir herauskommt. Theater hat etwas, das mich hindert, eine bestimmte Form des Realismus darzustellen. Film aber hat mich umgehauen.

Focus: Was waren die Ängste vor der „Schillerstraße“?

Vogel: Kann ich´s? Geht das? Ich würde nie sagen, ich bin Komiker.

Focus: Ist die Angst größer, ohne festes Konzept auf die Bühne zu müssen?

Vogel: Für mich war genau das der Grund zu sagen: Das mach ich. Dieses Format ist schon sehr einzigartig.

Focus: Ihre Vorgängerin Cordula Stratmann hat alles an Preisen abgeräumt. Und Sie riskieren die Prügel.

Vogel: Ich bin da nicht empfindlich. Ich hab schon so viel Lob bekommen in meinem Leben, da kann ich es verkraften, wenn mich mal einer doof findet.

Focus: Was können Frauen besser?

Vogel: Sie sind die sensibleren Wesen. Sie können sich auf mehr verschiedene Sachen konzentrieren. Sie fahren bedachter Auto. Sie kümmern sich mehr um die Außenwahrnehmung. Männer nehmen nicht alles ernst, was sie gerade so sagen. Sie sind einfach anders.

Focus: Anders, aber leidenschaftlich – der Zungenkuss, den Sie in der „Schillerstraße“ mit einem rohen Schnitzel vorgeführt haben, hätte auch ins „Dschungelcamp“ gepasst.

Vogel: Ich habe es geliebt.

Focus: Welche Regieanweisung hat Sie am meisten gequält?

Vogel: Da gibt es oft so ein Schockmoment. Da denke ich: Nee, das hat sie jetzt nicht gesagt! Bitte nicht zu mir!

Focus: Die Win-win-Situation für den Zuschauer – quält sich der Vogel erfolglos, habe ich meinen Spaß. Und liefert er eine Pointe, dann eben auch.

Vogel: Das ist das Geile an dem Konzept. Beim Film wurstelst du so lange, bis du es perfekt hast. Hier ist das Versagen Teil des Konzepts. Deshalb tut mir die „Schillerstraße“ so gut.

Focus: Sind Sie so sehr Perfektionist?

Vogel: Ich bin schon sehr ordentlich.

Focus: Das heißt, Sie bezahlen künftig für die Therapie „Schillerstraße“.

Vogel: So ist doch der Idealfall. Du machst etwas, das dir als Mensch dient, und verdienst damit gleichzeitig dein Geld. Das ist der größte Luxus.

Focus: Wann wussten Sie, dass Sie tatsächlich Schauspieler sind?

Vogel: Vier Jahre, nachdem ich angefangen hatte. Da habe ich einen Stotterer gespielt in „Rosamunde“. Da hatte ich das erste Mal ernsthaft die Idee.

Focus: Wegen des Bayerischen Filmpreises für die Rolle?

Vogel: Nein. Ich habe den Film gesehen, und ich habe mir gedacht: Der ist ja Wahnsinn, der ist ja richtig gut! Da war sie plötzlich da, die Idee: Vielleicht ist es ja doch alles nicht nur Quatsch mit relativ wenig Arbeit, relativ viel Geld und viel Spaß.

Focus: Hilft der Weg von ganz unten, um Ängste abzuarbeiten?

Vogel: Als Türsteher und als Kellner habe ich mir bewiesen, dass ich hart arbeiten kann. Ich bin Arbeiterkind und habe da keine Hemmungen. Heute denke ich mir: Wie geil ist das denn? Einer wie ich, Typ aus Hamburg-Vorort, vier Kinder, und der führt so ein Leben!

Focus: Welchen Luxus gönnen Sie sich?

Vogel: Eine Wohnung. Es ist Luxus, trotz einer so großen Familie Eigentum abzahlen zu können.

Focus: Der linke Ärmel ist nicht gekürzt für die Rolex am Handgelenk?

Vogel: Nee, das ist ne Breitling. Mit der habe ich mich belohnt für meinen ersten Werbespot, für die HypoVereinsbank. Da hab ich gedacht, ich kaufe mir ne geile Uhr. Das ist der Rest-Proll in mir. Ich fahre auch Jaguar, den finde ich einfach schön.

Focus: Plagen Sie Verlustängste?

Vogel: Überlebenswichtig ist der ganze Kram nicht für mich.

Focus: Was ist Ihr Knopf im Ohr, der Ihnen die Anweisungen gibt fürs richtige Leben?

Vogel: Ich vertraue meinem Instinkt. Entscheidungen fälle ich nach Gefühl.

Focus: Was sagt Ihr Bauch – machen Sie mit der „Schillerstraße“ weiter?

Vogel: Ja, aber nach zwölf Folgen gehen wir erst mal in die Sommerpause. Im Herbst kommen wir dann wieder mit einer neuen Staffel.

Focus: Gibt es eine Grenze?

Vogel: Sicherlich, wir werden sehen,wo die liegt. Mit den Quoten der „Schillerstraße“ liegen wir auf einem ordentlichen Level. Aber was sagt das schon? Die meisten Filme, die ich richtig gut finde, hatten im Kino nur ein paar zehntausend Zuschauer. Mein Herzensgefühl hat mit dem Massen-geschmack nichts zu tun.

Focus: Welcher Film war für Sie wirklich wichtig?

Vogel: Der nächste? Das klingt immer so schön halbschlau. Die Wahrheit ist: „Der freie Wille“. So muss Film sein – so grenzgängerisch, so aufwühlend. Ein Film wie der, die Geschichte eines Vergewaltigers, kann Leben verändern. Und das ist der Grund, warum ich eigentlich angetreten bin als Schauspieler: um Leute zu berühren.

Focus: Dort der Anspruch, hier die „Schillerstraße“. Wofür steht zwischen diesen Polen die Marke Jürgen Vogel?

Vogel: Die demontiere ich doch die ganze Zeit selbst. Ich will gar nicht bei einer Sache bleiben. Und ich will auch nicht, dass alle alles an mir toll finden. Ich hasse Schauspieler, die selbst den Mörder immer noch mit dem Augenzwinkern spielen, um gesellschaftsfähig zu bleiben. Die nehmen ihren Beruf nicht ernst.

Der Aufsteiger

Jürgen Vogel, 40

Scheitern in Serie

Jürgen Vogel ist 1968 in Hamburg geboren. Den ersten Auftritt hat er als Kindermodel. Als Jugendlicher bricht er vieles ab – die Realschule, die Schauspielschule in München, und die nach einem Tag. Er verlässt das Elternhaus mit 16, zieht nach Berlin und jobbt als Türsteher, Kellner, Koch.

Erfolge in Fülle
Den Deutschen Filmpreis erhält er zweimal, den Bayerischen zweimal, dazu Adolf-Grimme-Preis, Telestar, Goldene Kamera. Den Silbernen Bären bekommt Vogel als Produzent, Co-Autor und Hauptdarsteller für „Der freie Wille“.
 

krawutz

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8 Jan. 2008
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Auch tolle Schauspieler müssen Geld verdienen. Und Qualität ist in Deutschland immer weniger gefragt - bei den Frauen schon lange nicht mehr und bei den Männern gehts auch los. Schönes Äußeres und in einer Schnulzenserie zwei Sätze fehlerfrei aufsagen - so wird man hier zum "Star".
 
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