Was das Bierfass mit tobenden Kindern zu tun hat: Redewendungen aus dem Handwerk kurz erklärt

SteveJ

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Handwerksredensarten erklärt Sprachexperte Rolf-Bernhard Essig in seinem neuen Buch.
Ein kleiner Einblick mit Beispielen – vom Nagelschmied bis zu Till Eulenspiegel:
  • "Nägel mit Köpfen machen"
    Wenn jemand Nägel mit Köpfen macht, hat derjenige etwas konsequent durchgeführt – wie ein gelernter Nagelschmied.
    Der Beruf war jahrhundertelang hoch geachtet. Nagelschmiede stellten winzige, so gut wie kopflose Stifte her, aber auch schwere, großkopfige Exemplare, die Schiffswände zusammenhalten mussten.
    Bei der Herstellung von Baunägeln stand am Ende das Schmieden des Kopfes, und es verlangte besonderes Geschick, um sie gleichmäßig, in der gewünschten Form und ohne Risse an den Rändern zu gestalten.
    So waren kopflose Stifte Sache der Stifte oder Lehrlinge, Nägel mit Köpfen die der Gesellen und Meister.

  • "Etwas anzetteln", "sich verzetteln"
    Die Redensart "sich verzetteln" beschreibt Leute, die wegen zu vieler Tätigkeiten nichts richtig hinbekommen.
    Mit Papierzetteln hat das allerdings nichts zu tun – die Redensart geht auf das althochdeutsche Wort zetten zurück.
    Das hieß "ausbreiten", oder auch "ausstreuen/verstreuen". Wer "sich verzettelte", der war zerstreut wie seine zu vielen, wirr ausgestreuten Tätigkeiten.
    Im Sinne von "ausbreiten" entstand auch das "Anzetteln" in der Fachsprache der Weber. Zu Beginn des Webens zog man die Längsfäden, die Zettel, in den Webstuhl ein – so bestimmte man die Breite des Gewebes.
    Dieser erste Schritt des Webens hieß nach den Fäden "anzetteln".
    Von hier aus entwickelte es sich zur Redensart für das Beginnen überhaupt. "Einen Streit anzetteln" heißt also "einen Streit beginnen".

  • "Umgekehrt wird ein Schuh daraus."
    Diese Redensart ist eine Aufforderung an jemanden, etwas genau andersherum und damit richtig zu machen.
    Hier geht es um die bis weit ins hohe Mittelalter gebräuchliche Technik der wendegenähten Schuhe.
    Dabei wurde der Schuh mit der Innensohle und den Innenseiten nach außen genäht und bearbeitet, dann am Ende erst umgestülpt, also gewendet.
    Mit diesem letzten Schritt war er erst als Schuh benutzbar.

  • "Alles in Butter!"
    Mit dieser Redensart haben Berliner Gasthäuser im frühen 20. Jahrhundert Gäste angelockt.
    Sie warben oft mit einem Schild mit der Aufschrift "Alles in Butter!", um zu zeigen, dass bei ihnen statt in Schmalz oder Margarine ausschließlich alles in Butter gebraten und gekocht wurde.

  • "Ein Schaumschläger sein, Schaum schlagen"
    Bader, Barbiere und Friseure waren früher von Berufs wegen Rasier-Schaumschläger.
    Ihnen sagt man nach, dass sie Kunden öfter aufgebauschte Geschichten erzählten – also prahlten oder angaben.

  • "Die Gerüchteküche kocht/brodelt."
    Diese Redensart etablierte sich erst vor gut fünfzig Jahren. Wegen der lautlichen Nähe von "Gerichte" und "Gerüchte" hat sich die Assoziation "Gerüchteküche" herausgebildet.
    Wenn nun "die Gerüchteküche kocht/brodelt", soll das zeigen, wie fleißig an der Herstellung und Verbreitung von Gerüchten gearbeitet wird.

  • "Außer Rand und Band geraten/sein"
    Obwohl diese Redensart auf das alte Böttcher- beziehungsweise Fassmacherhandwerk zurückgeht, findet man sie erst im 19. Jahrhundert schriftlich belegt – dafür dann sehr häufig.
    Es geht um Fässer, deren Randeinfassung und Fassreifen sich gelöst haben, sodass sie auseinanderfallen.
    Genauso haltlos und ohne Maß empfand man wild feiernde Menschen oder ausgelassen spielende Kinder.

  • "Etwas in Schuss halten/bringen, in/im Schuss sein"
    Gewehre wie Geschütze müssen regelmäßig und sorgfältig gereinigt sowie gepflegt werden, um sie funktionsfähig und damit schießbereit zu halten.
    Heute leben die dafür zuständigen Büchsenmacher oft mehr von Instandhaltungs-, Pflege- und Reparaturaufträgen als von der Herstellung neuer Waffen.

  • "Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!"
    Dieser Spruch geht auf die Figur Till Eulenspiegel zurück. In einer der Legenden arbeitete er für einen Bierbraumeister, der ihm einschärfte, er solle "den Hopfen in der Pfanne mitsieden", um ein kräftig schmeckendes, gut verkäufliches Gebräu zu erhalten.
    Nun besaß der Braumeister einen Hund, der den damals durchaus beliebten Namen Hopf trug.
    Eulenspiegel warf daraufhin nicht die Hopfendolden, sondern den Hund in die Braupfanne, wo er unter verrückten Zuckungen starb... :oops:

Quellen: Ippen-Digital, Rolf-Bernhard Essig - "Pünktlich wie die Maurer. Handwerksredensarten und ihre wunderbaren Geschichten."
 
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