Heute wird die Deutsche Nationalhymne 100 Jahre alt

SteveJ

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Mal ertönt sie zur Begrüßung des Bundespräsidenten bei Besuchen im Ausland, mal bei Spielen der Fußball-Nationalmannschaft im Stadion.
Mal wird sie getragen gespielt, mal mit etwas mehr Pepp. Mal wird sie mitgesungen, mal regen sich die Lippen nicht. 😐
Die deutsche Nationalhymne ist zu vielen Anlässen zu hören, sie klingt nicht immer gleich, und mit der Textsicherheit der Beteiligten ist es manchmal so eine Sache.
Eine gewisse Sarah Connor hat z.B. mal "Brüh im Glanze" gesungen... 😜

An diesem Donnerstag wird die Nationalhymne 100 Jahre alt.

Das heißt: Eigentlich ist sie noch ein paar Jahrzehnte älter.
Denn schon am 26. August 1841 dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf der damals noch britischen Insel Helgoland das "Lied der Deutschen", auch kurz "Deutschlandlied" genannt.
Aber "Ein" Deutschland gab es damals nicht, sondern lediglich 39 Einzelstaaten.
Deren Regenten wollten von "Einigkeit und Recht und Freiheit", wie sie der Freigeist Hoffmann von Fallersleben beschwor, zumeist nichts wissen. ☝️
Zum Gesangsstück wurden seine Zeilen durch das Kaiserquartett von Joseph Haydn, das er sich dafür aussuchte.

Nationalhymne war das Lied der Deutschen damit aber noch lange nicht.
Zwar endete der deutsch-französische Krieg 1870/71 mit der Bildung des Deutschen Kaiserreichs.
Doch das bundesstaatliche Gebilde kannte keine einheitliche Hymne. Vor allem in Preußen wurde die Kaiserhymne "Heil dir im Siegerkranz" (Refrain: "Heil, Kaiser, Dir") angestimmt.
Schon vor dem Kaiserreich war sie als "preußische Volkshymne" populär gewesen.

Deren Zeit lief mit dem Ende der Monarchie ab. In der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 fehlte jedoch eine Regelung für eine Nationalhymne.
Drei Jahre später holte Reichspräsident Friedrich Ebert das Versäumte nach. In einem Aufruf zum Verfassungstag 1922 erinnerte er an Hoffmann von Fallersleben:
"Wie einst der Dichter, so lieben wir heute 'Deutschland über alles'. In Erfüllung seiner Sehnsucht soll unter den schwarz-rot-goldenen Fahnen der Sang von Einigkeit und Recht und Freiheit der festliche Ausdruck unserer vaterländischen Gefühle sein."

Das Wort "Nationalhymne" fehlte in diesem Aufruf zwar, doch sechs Tage später ordnete Ebert als Oberbefehlshaber der Streitkräfte an:
"Entsprechend meiner Kundgebung vom 11. August 1922 bestimme ich: Die Reichswehr hat das Deutschlandlied als Nationalhymne zu führen."

Nationalhymne blieb das Lied auch in der NS-Diktatur...
Hoffmann von Fallersleben hatte sein Gedicht als Appell für die innere Einheit Deutschlands verstanden.
Die Nationalsozialisten missbrauchten die Hymne aber propagandistisch für ihren Großmachtanspruch nach außen... 😒

Gesungen wurde fast nur die erste Strophe ("Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt") und dies zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied ("Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen"), einem SA-Kampflied.
Ebert hatte noch betont, die Hymne solle "nicht dienen als Ausdruck nationalistischer Überhebung" – doch genau in diesem Sinne verwendeten die Nazis sie nun.

Es war folgerichtig, dass die Alliierten nach Kriegsende die diskreditierte Hymne zunächst verboten.
Auch im neuen, demokratischen Deutschland konnten sich viele Menschen – allen voran Bundespräsident Theodor Heuss – nicht vorstellen, sie beizubehalten.

Wäre es nach Bundespräsident Theodor Heuss gegangen, hätte Deutschland heute eine andere Hymne.
Heuss beauftragte 1950 den Dichter Rudolf Alexander Schröder, einen Ersatz für die durch die Nazis in seinen Augen irreparabel diskreditierte Nationalhymne zu schaffen.
Tausendsassa Schröder war auch Schriftsteller, Architekt, Maler und Übersetzer.
Heraus kam die "Hymne an Deutschland", die Melodie zum Gedicht lieferte der Stuttgarter Komponist und Pianist Hermann Reutter.

Der Text ist heute kaum noch bekannt:

"Land des Glaubens, deutsches Land, Land der Väter und der Erben,
uns im Leben und im Sterben Haus und Herberg, Trost und Pfand,
sei den Toten zum Gedächtnis, den Lebend‘gen zum Vermächtnis,
freudig vor der Welt bekannt, Land des Glaubens, deutsches Land!

Land der Hoffnung, Heimatland, ob die Wetter,
ob die Wogen über dich hinweggezogen, ob die Feuer dich verbrannt,
du hast Hände, die da bauen, du hast Herzen, die vertrauen,
Lieb’ und Treue halten stand, Land der Hoffnung, Heimatland.

Land der Liebe, Vaterland, heil‘ger Grund, auf den sich gründet,
was in Lieb’ und Leid verbündet Herz mit Herzen, Hand mit Hand.
Frei, wie wir dir angehören und uns dir zu eigen schwören,
schling um uns dein Friedensband, Land der Liebe, Vaterland!"


Die Hymne wurde im Fernsehen präsentiert – und stieß auf wenig Gegenliebe.
Den meisten Deutschen war der Text zu verschwurbelt.
Heuss ließ die "Hymne an Deutschland" erstmals nach seiner Neujahrsansprache am Silvestertag 1950 spielen.
Statt Zuspruch erntete er aber Spott.
Das Stück, das von da an alle Radiosender zum Sendeschluss ausstrahlten, wurde als "Theos kleine Nachtmusik" oder "Theos Nachtlied" verrissen.

Schließlich behielt Kanzler Adenauer die Oberhand. Obwohl Heuss als Bundespräsident über die Nationalhymne bestimmen konnte, gab er schließlich klein bei.
In einem Briefwechsel legten er und der Bundespräsident fest, dass das Deutschlandlied die Nationalhymne der Bundesrepublik sein solle.
Zu offiziellen Anlässen sei nur noch die dritte Strophe zu singen.
"Ich habe den Traditionalismus und sein Beharrungsbedürfnis unterschätzt", räumte Theodor Heuss letztlich ein.

Mit der Wiedervereinigung 1989 stellte sich die Hymnenfrage neu.
Während die Bundesrepublik "Einigkeit und Recht und Freiheit" sang, erklang in der DDR "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" von Johannes R. Becher und Musik von Hanns Eisler.
Sollte dies die gesamtdeutsche Hymne werden? Oder gar die Kinderhymne von Bertolt Brecht?
Brecht hatte sie 1950 als Protest gegen das Deutschlandlied verfasst...
Nach dem Mauerfall forderten diverse Bürgerinitiativen, sie zur neuen Hymne zu erklären. Ohne Erfolg.

Am Ende setzte sich mit Helmut Kohl wieder ein CDU-Kanzler durch.
Bundespräsident Richard von Weizsäcker schrieb:
"Die 3. Strophe des Hoffmann-Haydn’schen Liedes hat sich als Symbol bewährt."
Sie werde im In- und Ausland gespielt, gesungen und geachtet.
Und: "Sie bringt die Werte verbindlich zum Ausdruck, denen wir uns als Deutsche, als Europäer und als Teil der Völkergemeinschaft verpflichtet fühlen."

Quellen: Ippen-Digital, Deutschlandfunk, Wikipedia
 
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Buster

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,auf die nächsten 100 Jahre 🍻
 

Crippler

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Und der Text trifft heute so wenig zu, wie lange nicht!
 
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