Ende der Space-Shuttle-Ära

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Ende der Space-Shuttle-Ära
"Atlantis" legt perfekte Landung hin

Wolkenloser Himmel, kein Hauch von Wind: Die "Atlantis" konnte unter traumhaften Bedingungen am Weltraumbahnhof Cape Canaveral landen. Es war die letzte Mission eines Space Shuttle - die USA müssen ab jetzt jahrelang ohne eigene bemannte Raumschiffe auskommen.

Cape Canaveral/Hamburg - Die "Atlantis" ist sicher zur Erde zurückgekehrt. Die US-Raumfähre ist am Donnerstag kurz vor 12 Uhr mittags deutscher Zeit am Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida gelandet. Die Ära der Space Shuttle, die am 12. April 1981 mit dem Jungfernflug der "Columbia" begonnen hatte, ist damit nach mehr als 30 Jahren und 135 Missionen zu Ende gegangen. Insgesamt haben die Shuttle mehr als 870 Millionen Kilometer zurückgelegt, die Erde über 21.150-mal umrundet, 355 Menschen aus 16 Ländern ins All befördert und 1333 Tage im Orbit verbracht.


Das Kontrollzentrum im texanischen Houston hatte der "Atlantis"-Besatzung am Donnerstagmorgen wenige Minuten früher als geplant die Erlaubnis zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gegeben. Die vier Astronauten an Bord waren einige Stunden zuvor mit dem Lied "God Bless America" geweckt worden.

Wenig später trat die "Atlantis" planmäßig in die Erdatmosphäre ein. Es war der gefährlichste Abschnitt der Reise, da die Raumfähre durch die starke Reibung mit den Atmosphärenteilchen enorm erhitzt wird. Die Raumfähre "Columbia" war im Februar 2003 beim Eintritt in die Atmosphäre auseinandergebrochen, weil ihr Hitzeschild beschädigt war.

Das Wetter machte bei der Landung der "Atlantis" keine Probleme. Die Bedingungen seien "niemals so perfekt für eine Landung" gewesen, sagte der Kommentator des Nasa-Fernsehsenders. "Der Himmel über dem Kennedy Space Center ist klar, ohne eine einzige Wolke oder eine Brise Wind." Kommandant Christopher Ferguson legte eine perfekte Landung hin - und hielt anschließend über Funk seine eigene Abschiedsrede über die Raumfähren: "Nach 30 Jahren Dienst für die Welt hat der Space Shuttle seinen Platz in der Geschichte verdient." Die Raumfähren hätten "unseren Blick auf die Welt und das Universum verändert".

Letzte Reise ins Museum

Der Blick zurück ist allerdings nicht nur von Wehmut geprägt, denn die Shuttle waren immer umstritten. Zwei Flüge endeten in Tragödien: 1986 explodierte die "Challenger" kurz nach dem Start, 2003 verglühte die "Columbia" nur 16 Minuten vor der Landung. Beide Katastrophen enthüllten auch Pannen und Misswirtschaft bei der Nasa und besiegelten das Ende der Shuttle, die zuletzt pro Mission rund 775 Millionen Dollar kosteten. Manche Kritiker argumentieren, dass das Programm schon viel früher hätte eingestellt werden müssen .

Der "Atlantis"-Flug ist nachträglich noch angehängt worden, quasi als Ehrenrunde. Da es keinen Reserve-Shuttle mehr gab, der bei einem Notfall im Orbit eine Rettungsmission hätte fliegen können, waren nur vier statt sieben Astronauten an Bord.

Die "Atlantis" hat eine stolze Geschichte: Seit ihrem Jungfernflug 1985 hat sie auf 32 Missionen fast 200 Millionen Kilometer zurückgelegt, 294 Tage im All verbracht und die Erde 4648-mal umkreist. Sie hat die Sonden "Magellan" und "Galileo" ausgesetzt und auch siebenmal an der russischen Raumstation "Mir" angedockt.

Dagegen war die letzte, zwölftägige Mission dieses Frachtkahns geradezu banal: "Atlantis" schaffte vier Tonnen Proviant, Material und Technik für Experimente zur Internationalen Raumstation. Für eines davon waren auch 30 Mäuse dabei, an denen Knochenschwund gemessen und ein neuer Abwehrstoff getestet werden soll. "Es ist uns eine Ehre, mit der Nasa bei ihrer letzten Mission mitzumachen", sagt Chris Paszty, der Wissenschaftsdirektor des Pharmakonzerns Amgen, der den Antikörper erfunden hat. Auf dem Rückweg brachte die "Atlantis" eine tonnenschwere, defekte Kühlpumpe zur Erde zurück - ein bloßer Mülltransport zwar, aber immerhin einer, den nur ein Space Shuttle erledigen konnte.

Die "Atlantis" kommt nach ihrer Rückkehr zur Erde ins Museum - ebenso wie ihre Schwesterschiffe "Endeavour", "Discovery" und "Enterprise". Auch die "Space Coast" in Florida steht vor einer ungewissen Zukunft , denn in den kommenden Jahren werden die USA keine eigene Möglichkeit mehr haben, Menschen ins All zu bringen. US-Astronauten müssen dann mit russischen "Sojus"-Kapseln zur ISS fliegen. Erst 2015 soll eine US-Raumkapsel einsatzbereit sein, an der die Nasa derzeit mit einer privaten Firma arbeitet. Die US-Regierung plant auch insgesamt, die Raumfahrt in Zukunft stärker zu privatisieren .

Raumfahrt
Money im Mond


Nach dem Ende der Space-Shuttle-Ära sollen nun Privatunternehmen das Staatsgeschäft Raumfahrt in großen Teilen übernehmen - und auf Profit trimmen. Zahlreiche Firmen bereiten sich darauf vor, Mensch und Material ins All zu schießen. Aber wie groß ist überhaupt der Markt?

Frühmorgens wirkt das Kennedy Space Center wie eine verlassene Kulisse aus einer längst vergangenen Zukunft. Keine Touristen, kein Verkehr, nur die über Floridas Küste aufziehende Hitze des Tages legt sich bleiern über den alten Weltraumbahnhof.

Von den Sicherheitskontrollen und Wachhäuschen sind es noch einige Kilometer über schlecht asphaltierte Straßen, bis er endlich am Horizont auftaucht: der Space Shuttle, aufgebahrt auf Startrampe LC-39A, die stumpfe, schwarze Nase dem Himmel zugewandt, den bulligen Körper geschmiegt an die riesige, orangefarbene Treibstoffzigarre. Bereit für seine allerletzte Reise.

An diesem Morgen ist ein Betankungstest angesagt, eine der vielen Startvorbereitungen, die an der "Atlantis" vorgenommen werden, seit sie Ende Mai aus ihrer Halle gerollt wurde. Sieben Stunden dauerte es allein, bis der Shuttle die 5,5 Kilometer zur Startrampe zurückgelegt hatte. Getragen von einem eigens konstruierten Kettentransporter, der bald genauso nutzlos sein wird wie vieles hier. Nach 30 Jahren und 135 Missionen bleibt eine Menge irdischer Weltraumschrott.

"Omega", der letzte Buchstabe des klassischen griechischen Alphabets, ist das Symbol der "Atlantis"-Mission, die Ende dieser Woche starten soll. Nach mehr als 870 Millionen Flugkilometern ist dann Schluss für den Space Shuttle: zu teuer, zu alt, zu anfällig.

Mit dem Ende der Shuttle-Flüge verschwinden auch zahllose Jobs

Es ist auch das Ende eines nationalen Symbols. Künftig müssen sich die Amerikaner einen Platz an Bord der russischen "Sojus"-Kapseln kaufen, wenn sie ins All fliegen wollen. Für 63 Millionen Dollar pro Ticket.


"Die Traurigkeit ist groß", sagt Frank DiBello. Von seinem Büro schaut er auf den Raketenpark des Kennedy Space Center, auf die "Atlas"- und "Redstone"-Raketen und all die Denkmäler der Vergangenheit. Doch dann spricht er von "Aufbruchstimmung" und von seiner "Hoffnung" auf eine neue, "noch größere Ära".

Mehr als 40 Jahre hat DiBello in der Raumfahrt gearbeitet, vorvergangenes Jahr hat ihn der Gouverneur von Florida aus dem Ruhestand geholt und zum obersten Standortpolitiker für die Raumfahrt gemacht. Mit dem Ende der Shuttle-Flüge verschwinden auch zahllose Jobs, fast 8000 allein am Kennedy Space Center. DiBello soll für Ersatz sorgen, er soll Firmen anlocken, die die ungenutzten Startrampen übernehmen und die leeren Hallen. Er soll Ideen und Ingenieure bringen und neue Arbeitsplätze schaffen.

Kurz: DiBello soll helfen, das traditionell staatliche Raumfahrtgeschäft nun zu privatisieren. "Wenn wir künftig da hochfliegen, müssen wir für neue Entdeckungen sorgen, die einen großen Wert auf den Weltmärkten haben", sagt er. Künftig soll nicht mehr allein die National Aeronautics and Space Administration (Nasa), sondern die freie Wirtschaft dafür sorgen, dass es mit der Raumfahrt vorangeht.

2. Teil: Immer wieder wurden Milliarden von Dollar versenkt

Während sich die Nasa auf Fern-Missionen etwa mit der Raumkapsel "Orion" konzentrieren wird, könnte die gesamte erdnahe Raumfahrt, etwa der Transport von Mensch und Material zur Internationalen Raumstation ISS, privatisiert werden. So hat es Präsident Barack Obama vergangenes Jahr verkündet, als er die neue Raumfahrtpolitik der USA vorstellte.

Es ist die größte Zäsur, seit Präsident John F. Kennedy 1961 den Wettlauf zum Mond eröffnet hat. Und seither ist in der Raumfahrt, vor allem bei der Nasa, manches schiefgelaufen. Immer wieder wurden Milliarden von Dollar in Projekte und neue Maschinen versenkt, die nie Praxistauglichkeit erreichten. Es fehlte an Missionen und Visionen, die die Menschen begeisterten. Nun sind die USA auch noch derart hoch verschuldet, dass man den Bürgern solche Milliardenabenteuer kaum mehr erklären kann.

Also sollen es private Unternehmen besser und vor allem billiger machen. Der Kapitalismus soll die Raumfahrt retten.

Lässt sich ein Menschheitstraum am Ende auf Profit trimmen?

Die Nasa und der Staat werden dabei nicht verschwinden, sie bleiben als letzte Instanz - und vor allem als Geldgeber. Insgesamt sechs Milliarden Dollar über fünf Jahre sind als Anschubfinanzierung vorgesehen. Startgeld für eine neue Industrie, die künftig selbst herausfinden muss, was im All profitabel sein könnte.

Die Goldgräberstimmung ist im wahrsten Sinne All-gegenwärtig. Und so wird derzeit vor allem viel experimentiert: mit kleinen, suborbitalen Raumflugzeugen, aber auch Schwertransportraketen und sogar privaten Raumstationen. Manche Unternehmen wollen zunächst nur reiche Touristen in den Weltraum schießen. Andere möchten Basen auf dem Mond errichten. Erste private Weltraumbahnhöfe werden bereits gebaut.

Doch was bedeutet es, wenn ein so klassisches Staatsprojekt wie die Raumfahrt plötzlich betriebswirtschaftlichen Spielregeln gehorchen muss? Und lässt sich ein Menschheitstraum am Ende auf Profit trimmen?

Die Bandbreite der Firmen, die sich in das hochriskante neue Geschäft wagen, ist groß. Da arbeiten große Konzerne, erfahren in Militär- und Raumtechnik wie Boeing. Da gibt es aber auch kleine Bastlerbuden, die mit kaum mehr als einer Handvoll Physikern und Ingenieuren in einem Schuppen in der kalifornischen Mojave-Wüste ihre Raketen bauen. Hinter manchen stehen ehemalige Astronauten oder Nasa-Mitarbeiter, Fachleute mit viel Enthusiasmus. Andere werden von schwerreichen und verschwiegenen Privatleuten finanziert, die mit ihren geheimnisumwitterten Projekten gelegentlich an größenwahnsinnige "James Bond"-Figuren erinnern.

Da ist etwa Jeff Bezos, der Gründer des Internetkaufhauses Amazon, über dessen Firma Blue Origin und ihre Projekte in der texanischen Wüste bislang wenig nach außen drang. Oder Robert Bigelow, reich geworden mit einer Hotelkette in Las Vegas, der nun eigene Raumstationen entwickelt, gute sogar, wie Experten versichern. Ab 2014 sollen sie um die Erde kreisen.

Wollen sich diese Männer nur einen Jugendtraum erfüllen oder wirklich eine Industrie aufbauen? Und kann man die Zukunft der Raumfahrt ein paar verschwiegenen Milliardären überlassen, die sich nichts und niemandem verpflichtet fühlen? "Es gibt viele offene Fragen, viel Unsicherheit, viel Nervosität", sagt Leroy Chiao. Er ist drei Shuttle-Missionen geflogen, war Kommandant der Internationalen Raumstation ISS und hat insgesamt 229 Tage im All verbracht. Auf seiner Visitenkarte steht schlicht "Astronaut". In einer Ecke seines Büros in Houston steht der Raumanzug, mit dem er einst Weltraumspaziergänge unternahm.

3. Teil: "Wir planen den ersten bemannten Flug für 2014"

Wie viele andere Astronauten hat Chiao inzwischen den Job gewechselt. Auch er ging in die Privatwirtschaft. Anfang 2000 beschäftigte die Nasa 149 Astronauten. Heute sind es nur noch 62.

Chiao ist nun begehrter Berater in allen Raumfahrtfragen, Präsident Obama berief ihn in die Kommission zur Zukunft der bemannten Raumfahrt. Und er sitzt in der Geschäftsführung der Raumfahrtfirma Excalibur Almaz, die auf der Isle of Man alte russische Kapseln in neue Raumschiffe umbaut.

Also, Mr. Chiao: Gibt es wirklich einen Markt für kommerzielle Raumfahrt? Und welches der Unternehmen wird sich durchsetzen? "Derzeit ist es wie zu den Anfängen der Computerindustrie, als jeder mitmischen wollte. 99 Prozent der Unternehmen sind gescheitert", sagt Chiao. "Aber das eine Prozent, das überlebte, hat die Welt revolutioniert."

Die besten Chancen, zu dem einen Prozent zu gehören, hat derzeit das kalifornische Unternehmen SpaceX. Im Dezember gelang es ihm, eine selbstentwickelte Raumkapsel auf einer eigenen Rakete von Cape Canaveral aus in den Orbit zu schießen. Nachdem die "Dragon" zweimal die Erde umrundet hatte, raste sie zurück in die Atmosphäre und glitt wie geplant an Fallschirmen in den Ozean. Die Fachwelt war beeindruckt.

Im SpaceX-Hauptquartier in Hawthorne (Adresse: 1 Rocket Road) laufen derzeit die Vorbereitungen für die nächsten Missionen. Direkt hinter der weißgetünchten Lobby erhebt sich eine 50.000 Quadratmeter große Montagehalle. Hier schweißte einst die Firma Northrop Rumpfteile des Riesenflugzeugs Boeing 747 zusammen. Jetzt liegen auf Rollwagen Bauteile von "Falcon 9"-Raketen. An Metallständern hängen Solarmodule. Dazwischen stehen aufgebockt Raketenmotoren der Serie "Merlin", ebenfalls eigens entwickelt. In einem durch meterhohe Glaswände abgetrennten Bereich der Halle machen sich Arbeiter im Blaumann an einer "Dragon"-Kapsel zu schaffen.

Doch noch ist vieles Theorie und ungetestet

"Wir planen den ersten bemannten Flug für 2014", sagt Ken Bowersox, der einst den Nasa-Shuttle flog. Heute ist er bei SpaceX für die bemannte Raumfahrt verantwortlich. Noch in diesem Jahr will er beweisen, dass die "Dragon" an die ISS andocken und Fracht übergeben kann.

Bis zu sieben Menschen will Bowersox künftig im zehn Kubikmeter großen Raum der "Dragon"-Kapsel unterkriegen: "Vier sind oben, drei darunter."

Doch noch ist vieles Theorie, ungetestet. Um die "Dragon" tatsächlich sicher für die bemannte Raumfahrt zu machen, müssen die Ingenieure nach den Vorgaben der Nasa ein "Launch Abort System" einbauen, ein Extratriebwerk, das die Kapsel bei einem Fehlstart von der röhrenden Rakete wegkatapultiert und so die Crew rettet.

"Wir legen unser System so aus, dass es künftig auch dafür genutzt werden kann, die ,Dragon' zu landen", sagt Bowersox. Auf dem Mond etwa. Oder sogar auf dem Mars, so erträumt es sich jedenfalls Elon Musk, der Chef und Gründer von SpaceX.

"Unser letztendliches Ziel ist es, eine Technologie zu entwickeln, um eine große Menge an Menschen und Material zum Mars zu transportieren und zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine selbsterhaltende Zivilisation auf einem anderen Planeten zu installieren", schwärmt Musk.

Eine "Inspiration" sei Musk, ein "Genie" und "Visionär", sagen die einen, die ihn kennen. Ein "Aufschneider", der "sich selbst überschätzt", sagen andere.

Angeblich basiert der Hauptcharakter des Hollywood-Hits "Iron Man", der geniale Unternehmer Tony Stark, zum Teil auf Musks Lebensgeschichte.

2002 verkaufte er seine Anteile an der von ihm mitgegründeten Internetfirma PayPal und kam so zu Reichtum. "Ich wollte schon immer Teil von etwas sein, das die Welt radikal verändert", sagt er. Die künftige Rolle von SpaceX vergleicht er mit jener der Eisenbahn bei der Erschließung Amerikas. Bald will Musk eine noch größere Rakete präsentieren, die auch für Missionen jenseits der Erdumlaufbahn genug Material ins All schleppen könnte.

Die "Falcon Heavy" soll nach der "Saturn V"-Rakete, mit der einst die Mondfahrer ins All geschossen wurden, die Rakete mit der größten Nutzlast aller Zeiten werden. Mit fünf Meter Durchmesser und einer Schubkraft von 15 Boeing-Jumbos soll sie 53 Tonnen ins All befördern. An den Erfolg glaubt der Firmenchef offenbar. Rund hundert Millionen Dollar seines eigenen Vermögens hat er bislang in SpaceX gesteckt. "Ich glaube, dass eine neue Ära der Weltraumfahrt anbricht und sich die Technologie jetzt sehr schnell weiterentwickeln wird", sagt Musk. Privatunternehmen seien innovativer, könnten kostengünstiger arbeiten - und die Sicherheit der Systeme schneller optimieren.

4. Teil: Raumfahrt ist immer noch viel zu teuer

Viele scheinen ihm zu glauben. Obwohl die "Falcon"-Raketen der Firma erst vier erfolgreiche Starts absolviert haben, stehen bei SpaceX bereits Aufträge für mehr als drei Milliarden Dollar in den Büchern. Vor einem Jahr unterschrieb Musk einen 492-Millionen-Dollar-Deal, um Satelliten der Firma Iridium Communications ins All zu befördern.

Der jüngste Coup des in Südafrika geborenen Geschäftsmanns ist ein Vertrag mit der thailändischen Telekommunikationsfirma Thaicom. 2013 soll eine SpaceX-Rakete mit einem Satelliten für den asiatischen TV-Markt aufsteigen. Der wichtigste Auftraggeber aber ist und bleibt die Nasa. Mindestens zwölfmal soll das erst 2002 gegründete Unternehmen Frachtgut zur Raumstation ISS transportieren. Insgesamt hat die Nasa ein Auftragsvolumen von mehr als 1,6 Milliarden Dollar zugesichert.

Trotz des anfänglichen Erfolgs kämpft SpaceX mit dem gleichen Problem wie alle anderen privaten Neugründungen: Raumfahrt ist immer noch viel zu teuer.

Das alte Shuttle-System hatte schon deshalb keine Zukunft mehr, weil jede Mission über eine Milliarde Dollar kostet. Insgesamt verschlang das Programm 173 Milliarden. Um langfristig Erfolg zu haben, muss es den kommerziellen Anbietern gelingen, jeden Transport von Mensch und Material ins All erheblich preiswerter zu machen.

"Wir brauchen ein Transportsystem, das vollständig wiederverwendbar ist", sagt Musk. Vom Raumschiff- und Raketen-Recycling verspricht er sich "dramatische Kostenreduktionen". Der SpaceX-Chef will die Transportkosten für Frachtgut in die Erdumlaufbahn auf unter tausend Dollar pro Pfund Gewicht drücken.

Es ist eine magische Grenze in der Raumfahrtindustrie. Und manche Experten halten sie für schlicht unerreichbar.

Musks Enthusiasmus sei "ansteckend und inspirierend", sagt etwa Loren Thompson vom amerikanischen Lexington Institute, "aber die Erfolge von SpaceX stehen in keinem Verhältnis zur Rhetorik". Immer wieder habe die Firma Zeitpläne korrigieren müssen. Nur sieben Starts habe SpaceX bislang durchgeführt, von denen drei gescheitert seien.

Tatsächlich ist noch völlig unklar, ob die hochfliegenden Pläne der neuen Raumfahrtfirmen überhaupt Wirklichkeit werden können. Zwar hoffen alle Anbieter, die Kosten mit preiswerten Technologien zu senken, um damit die Raumfahrt profitabel zu machen. Doch ob das tatsächlich gelingt, wird sich erst im laufenden Betrieb zeigen.

"Mit der Lernkurve steigen die Preise", sagt Raumfahrtexperte Chiao. SpaceX etwa habe ursprünglich Astronauten für 25 Millionen Dollar pro Reise ins All schicken wollen. "Nun liegt der Preis schon rund doppelt so hoch, und es würde mich nicht wundern, wenn er am Ende bei 100 Millionen liegt", so der Ex-Nasa-Mann.

Vielleicht noch schwieriger zu beantworten als die Frage der Kostenentwicklung ist die, ob es überhaupt einen ausreichend großen Markt für eine private Weltraumindustrie gibt.

"Die Forschung im All bietet riesige Möglichkeiten für die Entwicklung und Verbesserung von Produkten, viele Unternehmen haben das längst erkannt", sagt Space-Florida-Chef DiBello. Bei Experimenten im Shuttle etwa wurden neue Werkstoffe entwickelt, die weitreichende Anwendungen in der Industrie finden.

Mit fallenden Kosten sollen künftig immer mehr Unternehmen Platz für Untersuchungen auf den künftigen Raumflügen und neuen Forschungsstationen im All kaufen, so hoffen es die privaten Raumfahrtpioniere. "Der Transport von wissenschaftlichen Experimenten wird mittelfristig wohl ein größerer Markt sein als der von Personen", sagt George Whitesides, Chef von Virgin Galactic, einer Tochterfirma des britischen Milliardärs und Abenteurers Richard Branson.

Schon seit vergangenem Jahr fliegt Virgin Galactic Testflüge, die bald bis an die Grenze zum Weltraum führen sollen. Virgin hat dafür einen eigenen Raumgleiter entwickelt, der bis zu sechs Passagiere transportieren kann. Für derzeit rund 200.000 Dollar pro Ticket. 450 feste Buchungen gebe es schon sowie Anzahlungen in Höhe von 55 Millionen Dollar, sagt Whitesides.

Dabei steht noch nicht einmal genau fest, wann der erste Flug ins All starten soll. Wahrscheinlich 2013.

Schon fast fertig ist dagegen der eigene Weltraumbahnhof, den Virgin in der Wüste von New Mexico baut - designt von Stararchitekt Sir Norman Foster.

Noch fliegt Virgin seine Tests in der Mojave-Wüste, rund zwei Autostunden nördlich von Los Angeles. An diesem Morgen im Juni landet das SpaceShipTwo gerade sicher nach seinem 13. Testflug. Der knapp 20 Meter lange, weiße Raumgleiter wirkt eher wie ein aufgemotzter Privatjet, nur die hochgezogenen Flügel deuten darauf hin, dass die Maschine weit mehr kann: Von einem speziellen Transportflugzeug bis auf 15 Kilometer Höhe gebracht, soll das SpaceShipTwo sein Raketentriebwerk zünden, auf 4200 Kilometer pro Stunde beschleunigen, die Passagiere so auf über 100 Kilometer Höhe schießen und ihnen damit fünf Minuten Schwerelosigkeit bieten. Die Tests sind bislang gut verlaufen, sagt Whitesides, das Raketentriebwerk werde im Laufe des Jahres das erste Mal zum Einsatz kommen.

Gleichzeitig kooperiert Virgin mit einem weiteren Raumfahrtneuling, der Sierra Nevada Corporation. Deren "Dream Chaser" soll es bis in die Erdumlaufbahn schaffen.

"Wir feiern dieses Jahr 50 Jahre bemannte Raumfahrt und haben es geschafft, nur rund 520 Menschen ins All zu bringen", witzelt Whitesides. "Erbärmlich" sei das. Virgin wolle schon in den ersten Jahren mehr Menschen in den Weltraum schießen.

Aber glaubt das Unternehmen wirklich an eine Zukunft jenseits einer Nische? "Irgendwo müssen wir ja anfangen", sagt Whitesides. In den Gründungsjahren der kommerziellen Luftfahrt sei es nicht anders gewesen. "Auch damals hieß es, das sei nur etwas für Millionäre."

Am Ende sei es wie mit jedem neuen, noch unbekannten Markt: "ein Glücksspiel". Ausgang: offen.


Interview Spiegel Online :

Space Shuttle
"Nur Krieg ist riskanter"

Die amerikanische Raumfähre "Atlantis" steht kurz vor dem Start - dem letzten eines Space Shuttles. Für John Logsdon ist das kein Grund zur Trauer: Im Interview spricht der US-Raumfahrtexperte über mangelnde Sicherheit im All, lästert über sparwütige Politiker - und kritisiert Obamas Mars-Pläne.

SPIEGEL ONLINE: Professor Logsdon, nach 30 Jahren, 135 Missionen und mehr als 870 Millionen zurückgelegten Kilometern soll nun endgültig Schluss mit den Shuttle-Flügen sein. Kommt der Abschied zur rechten Zeit?


Logsdon: Nein, er kommt mindestens 20 Jahre zu spät. Ohne Zweifel war der Shuttle ein bemerkenswertes Raumschiff, mit dem großartige Dinge geleistet wurden. Aber er war ein Raumschiff der ersten Generation, das längst hätte ersetzt werden müssen - nicht zuletzt weil es die hohen Erwartungen nie erfüllen konnte.

SPIEGEL ONLINE: Bei seinem Jungfernflug im Jahr 1981 versprach die Nasa günstige, sichere, routinemäßige Starts ins All.

Logsdon: Ja, aber der Shuttle erwies sich als zu komplex, zu teuer und vor allem zu riskant: Bereits in den ersten Jahren des Programms erkannten die Verantwortlichen, dass sie sich sicherheitstechnisch auf sehr dünnem Eis bewegen. Sie verschlossen aber die Augen. Und schon 1985 gab es Ideen für eine zweite, zuverlässigere Shuttle-Generation. Doch nichts ist passiert.

SPIEGEL ONLINE: Ein Jahr später brach die "Challenger" kurz nach dem Start auseinander. Warum wurde das Programm nicht schon damals eingestellt?

Logsdon: Weil schlichtweg keine Alternative in Sicht war. Die USA wollten es sich aber nicht leisten, in Zeiten des Kalten Krieges viele Jahre keinen eigenen Zugang zum All zu haben. Zudem hätte ein sofortiges Ende des Shuttle-Programms auch das Aus für das Weltraumteleskop "Hubble" und die Jupitersonde "Galileo" bedeutet, deren Entwicklung weit fortgeschritten war, die aber nur mit einem Shuttle gestartet werden konnten.

SPIEGEL ONLINE: Ist Ihre Kritik an den Shuttles nicht ein wenig überzogen? Die totale Sicherheit kann es doch gerade in der Raumfahrt nicht geben. Und auch wenn es angesichts der Abstürze von "Challenger" und "Columbia" zynisch klingen mag: Alle anderen 132 Shuttle-Missionen verliefen sicher, und der letzte Flug der "Atlantis" wird wahrscheinlich keine Ausnahme sein.

Logsdon: "Sicher" ist ein relativer Begriff. Shuttle-Flüge, da genügt ein Blick in die Statistik, gehörten zu den riskantesten Dingen, die ein Staat unternehmen konnte - wahrscheinlich nur noch übertroffen von den Plänen, junge Männer zum Sterben in einen Krieg zu schicken. Sicherer hätte man die Shuttles auf jeden Fall machen können. Nur wäre das unverhältnismäßig teuer geworden.

SPIEGEL ONLINE: Aber immerhin hätte man nach dem "Challenger"-Unglück mit dem Bau eines Nachfolgers beginnen können.

Logsdon: Hätte? Müsste! Dass das nicht passiert ist, ist für mich ein Zeichen eines eklatanten Versagens der politischen Führung. Kaum ein US-Präsident hat sich in den vergangenen Jahrzehnten für ein gutes Raumfahrtprogramm starkgemacht. Alle haben sich mit einem Programm begnügt, das gerade gut genug war. Barack Obama macht da übrigens keine Ausnahme. Leider.

SPIEGEL ONLINE:
Aber das Shuttle-Programm war doch alles andere als billig. Mehr als 120 Milliarden Dollar soll es insgesamt gekostet haben, jeder Flug schlug zuletzt mit gut einer Milliarde Dollar zu Buche. Als die Nasa das Programm Anfang der siebziger Jahre dem Kongress vorstellte, versprach sie Kosten von 50 Millionen Dollar pro Start. Haben die Nasa-Manager damals gelogen?

Logsdon: Ich würde nicht von Lügen sprechen. Sie waren in ihren Annahmen einfach extrem optimistisch. Gleichzeitig waren sie aber auch verzweifelt.

SPIEGEL ONLINE: Wie das?

Logsdon: Diese Menschen hatten gerade das "Apollo"-Programm abgeschlossen und waren überzeugt, dass es für sie keine Grenzen gibt. Sie sahen aber auch die Gefahr, ohne den Shuttle ihrer Arbeit beraubt zu werden. Da neigt man schon mal zur Übertreibung. Das Tragische daran: Die immens hohen Unterhaltskosten für den Space Shuttle haben es der Nasa 30 Jahre lang praktisch unmöglich gemacht, andere Aktivitäten in der bemannten Raumfahrt zu starten.

SPIEGEL ONLINE: Das Geld steht jetzt wieder zur Verfügung. Kommt der große Befreiungsschlag?

Logsdon: Schön wär's. In mehr als 40 Jahren habe ich das amerikanische Raumfahrtprogramm noch nie so durcheinander und so ungewiss erlebt wie in diesen Tagen.

SPIEGEL ONLINE: Warum? Obama hat doch klare Ziele : 2025 soll es zu einem Asteroiden gehen, zehn Jahre später zum Mars.

Logsdon: Einen Asteroiden als nächstes Ziel auszugeben, war in meinen Augen ein Fehler - und zwar ein politischer Fehler. Obama hätte den Mond als Nahziel nie aufgeben dürfen .

SPIEGEL ONLINE: Kann es wirklich eine Herausforderung sein, mehr als 40 Jahre nach "Apollo" nochmals zum Mond zu fliegen?

Logsdon: Einmal davon abgesehen, dass die Nasa noch keine Vorstellung hat, wie sie überhaupt zu einem Asteroiden kommen soll, ist ein zwei Meilen großer, kaum sichtbarer Felsbrocken einfach nicht attraktiv. Er erregt keine Aufmerksamkeit, keine Begeisterung. Bei einem handfesten, deutlich sichtbaren Ziel wie dem Mond wäre das ganz anders.

SPIEGEL ONLINE: Das wäre aber ein rein symbolisches Projekt. Sollten stattdessen nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse und der Aufbruch zu unbekannten Welten im Mittelpunkt der Raumfahrt stehen?


Logsdon: Natürlich wäre es toll und wissenschaftlich interessant, auf einem Asteroiden zu stehen. Aber das fesselt nicht die Massen und schon gar nicht die Politiker.

SPIEGEL ONLINE: Eine Mondmission sollte also nur deshalb auf die Agenda rücken, weil die Chancen größer sind, dass der Kongress sie finanziell unterstützt?

Logsdon: Sicher ist das natürlich auch nicht. Eines sollten wir aus dem Shuttle-Programm und all seinen Problemen aber gelernt haben: Es reicht nicht, nur über Raumfahrt zu reden. Die Politik muss endlich auch das nötige Geld dafür herausrücken.



Gruss vom Gollum:thumbup:
 

devil1983

Durchstarter
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sehr schön verfasster text
und sehr informativ danke
 

DER SCHWERE

R.I.P.
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Schön Gollum So richtig was für Technik Freaks wie mich:thumbup:​
 

BlueLynne

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danke für die umfassende Information
 

Knuff

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Dankeschön. Mögen die Shuttles eine gute, letzte Ruhestätte bekommen!
 
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