DIN A4 - Ein Klassiker wird 100

SteveJ

V:I:P
Registriert
21 Apr. 2010
Themen
684
Beiträge
2.591
Reaktionen
6.325
Es passt in jedes Kuvert, man kann es problemlos lochen, in jedem Ordner abheften.
Jeder Drucker schluckt es ohne zu Murren – und wenn man oft genug faltet, hat man sofort das richtige Format für eine Visitenkarte, die sich perfekt in den Geldbeutel einfügt.
Papier in der Größe DIN A4 ist eine normierte Allzweckwaffe, deren praktisches Format wir als gottgegeben hinnehmen. Das ist es aber nicht!
Hätte das Deutsche Institut für Normung am 18. August 1922 nicht die Norm "DIN 476" für Papierformate wie A4, A5 oder A0 eingeführt, würden wir wohl öfter fluchend versuchen, einen Brief durch einen zu kleinen Briefschlitz zu stopfen.

DIN A4: Fast jeder kennt das Kürzel, das uns spätestens in der Schule das erste Mal begegnet.
Das Format ist der Star unter den Industrienormen, aber nicht die einzige, die das "Deutsche Institut für Normung" – kurz DIN – erstellt hat.

Ende 2020 gab es hierzulande 34 827 Normen:
Die Höhe von Türstöcken ist genormt, damit wir uns nicht dauernd den Kopf anhauen. Treppenstufen ebenso, damit wir intuitiv den richtigen Tritt finden.
Es gäbe unzählige weitere Beispiele, von genormten Fußballtoren, Schulranzen und Wasserrutschen über Standards für Deiche, die Hochwasser effektiv abhalten sollen, bis hin zu einheitlichen Buchstabiertafeln für Behörden, in denen seit 2022 statt Vornamen Städte für einzelne Buchstaben stehen – also jetzt "S wie Stuttgart" statt "S wie Siegfried".

Angefangen hat die Normierungswut nicht mit dem DIN-A4-Blatt, sondern schon vier Jahre früher.
Noch im Ersten Weltkrieg veröffentlichte das damals "Normenausschuss der Deutschen Industrie" genannte Institut im März 1918 die DIN 1 für Kegelstifte.
In der Mangelwirtschaft des Krieges wollte man sicherstellen, dass die wichtigen Verbindungselemente für Maschinenteile aus dem richtigen Material sind und die exakte Größe haben, um bedenkenlos überall verbaut werden zu können.
Ohnehin spielten Kompatibilität, Austauschbarkeit und Verlässlichkeit in einer Wirtschaft, die immer mehr auf Massenfertigung setzte, eine wichtige Rolle.
Standards wie die DIN-Norm stellten das sicher und ermöglichten eine größere Arbeitsteilung.
Ein wichtiger Grundstein für den heutigen Welthandel wurde also ausgerechnet in einem verheerenden Krieg gelegt.

Denn das Konzept der Normung ist bestechend.
Die Herstellung werde einfacher und man brauche weniger Druck- und Papiermaschinen, bewarb das DIN im Jahr 1922 die Vorteile des Papierformats A4.
Außerdem werde die Lagerhaltung vermindert, die Kalkulation einfacher, die Kapitalanlage für "wenig gangbare Formate" falle weg, die Kundenabfertigung gehe schneller und Handhabung sowie Aufbewahrung seien besser.
Das überzeugte auch Länder, mit denen Deutschland sich kurz zuvor noch im Kampf befunden hatte.
So führten neben Deutschland, Österreich und der Schweiz unter anderem Belgien und Russland die einheitlichen Papiergrößen ein.

Wie wichtig Normen auch für die Sicherheit sind, zeigt ein anderer Fall: Der Brand von Öschelbronn.
In dem Grenzdorf zwischen Baden und Württemberg brach nach einem trockenen Sommer im September 1933 ein Feuer aus.
Die Feuerwehr rückte schnell an – allerdings hatten die badischen Brandbekämpfer andere Schläuche und Kupplungen als die württembergischen.
So nahm das Drama seinen Lauf. In dem Dorf mit 1400 Einwohnern brannten 184 Häuser ab und weitere 111 wurden beschädigt.
Die Brandkatastrophe ist wohl eines der Ereignisse, das dazu geführt hat, dass bestimmte sicherheitsrelevante DIN-Normen bei einigen Produkten sogar Voraussetzung für eine Zulassung sind.

Vielleicht hat das süddeutsche Dorf sogar seinen kleinen Anteil daran, dass China heute ganz selbstverständlich exakt gleiche und austauschbare Teile und Elektrokomponenten herstellt, die dann etwa in deutschen Autos verbaut werden.
Verschifft werden diese übrigens in den etwa 250 Millionen genormten ISO-Containern, die pro Jahr über die Weltmeere schippern und auf Zügen und Lastwägen die Kontinente durchqueren.

Normen sind nämlich längst nicht mehr nur eine deutsche Spezialität.
85 Prozent aller Norm-Projekte haben mittlerweile einen europäischen oder internationalen Hintergrund.
Und neben dem deutschen DIN sind über 160 weitere nationale Normungsorganisationen in der "International Organization for Standardization", kurz ISO, mit Hauptsitz in Genf vereinigt.
Globale Normen tragen das Kürzel ISO, europäische EN. Auch die Papiernorm ist längst zu DIN EN ISO 216 mutiert.

Doch wie entsteht eigentlich eine Norm?
Im Grunde ist das ganz einfach. Einen Normungsantrag kann nämlich jeder stellen.
Danach erarbeitet das Institut gemeinsam mit Industrievertretern und Interessengruppen aus dem Bereich den Entwurf der Norm, rund 36 000 Experten aus Wirtschaft, Forschung, Verbraucherschutz und öffentlicher Hand waren hier zuletzt involviert.
Der Entwurf kann dann von jedem kommentiert werden.
Ist man sich einig, veröffentlicht das DIN die Norm und Hersteller können sie für ihre Produkte kaufen, sofern sie die Vorgaben einhalten.
Abgewichen wird von diesem Vorgehen übrigens nie, denn selbst das Normungsverfahren folgt einer Norm, nämlich der DIN 820 für Grundsätze der Normungsarbeit.

Hättet Ihr es gewußt?
Ein Blatt der Fläche DIN A0 hat eine Kantenlänge von 1189 mm x 841 mm (Verhältnis Wurzel(2):1 ) und eine Fläche von einem Quadratmeter.
Für A1 usw. wird dann jeweils das nächst größere Format in der Mitte gefaltet.

Quellen: Ippen-Digital, Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:

Buster

Super-Moderator
Teammitglied
Registriert
29 Aug. 2006
Themen
194
Beiträge
3.798
Reaktionen
6.151
Kaum zu glauben,aber wahr 📝
 
Oben