Der Tenor schlechthin: Zum 150. Geburtstag von Enrico Caruso

SteveJ

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Enrico Caruso wird am 25. Februar 1873 in Neapel als drittes von sieben Kindern einer Handwerkerfamilie geboren.
Er war das Kind des Schlossers Marcello Caruso und stammte aus allerärmsten Verhältnissen.

Nach dem Tod seiner Mutter 1888 verdient er Geld mit Reden an kirchlichen Feiertagen.

Als Knabe hatte er bereits in seiner Heimatstadt Neapel in einem Kirchenchor gesungen.
Nur unter großen Schwierigkeiten gelangte er zu einem Gesangsstudium.

Im November 1894 debütierte er mit einer Wandertruppe am "Teatro Nuovo" in Neapel in der Oper "L'amico Francesco" von Mario Morelli und sang dann aber längere Zeit ohne besondere Erfolge.

1897 begann er eine Beziehung zur Sängerin Ada Giachetti, das unverheiratete Paar bekommt zwei Söhne.
Nach acht Jahren platzt die Beziehung spektakulär, ein Prozess ist die Folge. Danach lebt er einige Zeit mit Adas Schwester Rina zusammen.

Der große musikalische Durchbruch kam, als er am 17. November 1898 am Teatro Lirico in Mailand in der Uraufführung von Umberto Giordanos "Fedora" die Partie des Loris sang. (y)
Jetzt folgte ein märchenhafter Aufstieg zum Weltruhm, der mit seinem Engagement an der New Yorker Met 1903 richtig Fahrt aufnahm.
18 Jahre steht er fortan bei der Premiere zur Saisoneröffnung auf der Bühne. Am Ende wird er dort 825 Vorstellungen in 42 Partien gesungen haben...

1902 produzierte er eine erste Aufnahme auf einer der damals üblichen "Edison-Walzen"; insgesamt spielt er 498 Schallplattentitel ein. :oops:
Caruso versuchte sich dann sogar, wenn auch nicht sonderlich erfolgreich, in einer Filmproduktion.
Die Arie aus der Aufnahme von "Vesti la giubba" aus Leoncavallos "Pagliacci" von 1904 wird zum ersten Millionenseller der Schallplattengeschichte.


Im Oktober 1904 fand sein erster Auftritt in Deutschland am Theater des Westens in Berlin statt.

Caruso war auch in den großen Zeitungen ständig präsent. Seine Erscheinung als Privatperson und Sänger wurde höchst eindrucksvoll abgebildet:
Caruso lässig mit Zigarette, als er noch einen Schnurrbart trug, Caruso kostümiert als Bajazzo oder Radames, Caruso stilvoll im Automobil, am Strand von Rimini in Badehose oder bei einem Gedenkkonzert für die Opfer der Titanic.

1906, wenige Wochen nach seinen triumphalen Erfolgen in Europa, Caruso war 33 Jahre alt, kam es in New York zu einem unerhörten Skandal. :eek:
Caruso habe im "New Yorker Central Park vor dem Affenhaus"“ eine junge Frau sexuell belästigt und sei noch an Ort und Stelle von einem Polizisten verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden.
Gegen eine Kaution von 500 Dollar kam er wieder auf freien Fuß. Zwei Gerichtsverhandlungen folgten...

Caruso Biograph Pietro Gargano schrieb dazu:
"Der Prozess war eine Farce. Zeugen, die unmöglich etwas gesehen haben konnten, wurden vernommen und verwickelten sich in Widersprüche; die Klägerin war spurlos verschwunden.
Trotzdem wurde Caruso schuldig gesprochen und verurteilt, wenn auch nur zu der gesetzlich festgelegten Mindeststrafe von 10 $.
Bei all diesen Verleumdungen und Unterstellungen war ihm die Solidarität vieler berühmter und auch einfacher Menschen ein Trost.
Puccini schrieb ihm; die Kollegen de Reszke, Emma Eames und zahllose andere standen ihm bei."


Der Skandel hat seiner Karriere erstaunlicherweise nicht geschadet. Im Gegenteil. Ein überzogener Caruso-Kult entstand in vielen Ländern.
1913 veröffentlichte er sein Buch "How to sing".

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 hatte für viele Künstler gravierende Folgen. Auslandsgastspiele waren nun auch für einen Caruso unmöglich.
Auf Auftritte im deutschen Kaiserreich, wo ihn der Monach persönlich empfangen hatte, musste er nun verzichten.

Als das bis dahin neutrale Italien im Mai 1915 auf der Seite der Entente in den Krieg eintrat, fühlte sich der unpolitische Caruso verpflichtet, klar Stellung zu beziehen.
So gab er unter Arturo Toscanini in Mailand zwei Vorstellungen. Die Einnahmen waren als Spende für das Rote Kreuz gedacht.
Trotz schwindelerregender Preise war das Haus völlig ausverkauft. Doch niemand ahnte, dass das sein letzter öffentlicher Auftritt in Europa sein würde...

Im August 1918 heiratete er Dorothy "Doro" Park Benjamin, im Dezember 1919 kam die gemeinsame Tochter Gloria zur Welt.

Im Sommer 1920 gastierte er dann in Havanna. Während der Aufführung explodierte im Opernhaus eine Bombe. Caruso floh daraufhin von der Bühne ins Hotel.
Der Bühnenmeister konnte ihn beruhigen und zurückholen.
Die Vorstellung endete dann doch mit Ovationen, Blumen und Gratulationen, auch wenn Viele das hohe Gehalt des Sängers im armen Kuba kritisierten.

Die "Bombe" gab es wirklich. Sie bestand aus Knallkörpern, die gewerkschaftlich organisierte Arbeiter des "Teatro Nacional " in einer Zigarrenkiste in der Herrentoilette deponiert hatten, um ihren Lohnforderungen Nachdruck zu verleihen.
In der amerikanischen Presse tauchten auch Gerüchte auf, die Mafia-Organisation Schwarze Hand stecke hinter dem Attentat.

Schon in Kuba fühlte sich Caruso gesundheitlich nicht mehr gut.
Zurück in New York, sang er noch einige Male, doch dann ging es gesundheitlich dramatisch bergab.

An Heiligabend 1920 gab er sein letzte Opernvorstellung, und zwar an der Met als Éléazar in "La juive" von Halévy.
Kurze Zeit später folgte ein Zusammenbruch - er hatte sich eine gefährliche Rippenfellentzündung zugezogen.
Eine Rippe wurde ihm entfernt, acht weitere Operationen folgten. Leider ohne große Erfolge. :(

Am 28. Mai 1821 ging Caruso in New York an Bord der "President Wilson" und kehrte nach Neapel zurück.
Am 2. August verstarb der Sänger im Hotel Vesuvio. Mit großer Ehre wurde er in Neapel zu Grabe getragen.
Nachdem die Leiche neun Jahre lang in einem Glassarg aufgebahrt worden war, wird dieser auf Drängen seiner Frau 1930 geschlossen.

Carusos Schicksal, sein märchenhafter Aufstieg, seine Weltkarriere und sein Tod dienten mehrfach als Romanvorlage.
So schrieb Frank Thiess gleich zwei Caruso-Romane: "Caruso" und "Caruso in Sorrent" über die letzten Wochen und Tage des Sängers.

Der Bombenanschlag in Kuba hat gleich zwei bedeutende südamerikanische Autorinnen inspiriert, zu dem Roman des kubanischen Klassikers Alejo Carpentier "Die Methode der Macht " und zu Mayra Monteros vor einigen Jahren auf Deutsch erschienenen Roman "Wo Aida Caruso fand".

Monteros Buch regte den holländischen Komponisten Micha Hamel zu einem Opernprojekt an.
2019 schrieb er im Auftrag der "Dutch National Opera" die Oper "Caruso a Cuba", die im März 2019 beim "Opera Forward Festival" uraufgeführt wurde.

Caruso ist also immer noch aktuell. Er war, so meint Hamel, "der erste Rockstar überhaupt“.

Quellen: Ippen-Digital, Badische Zeitung, Deutschlandfunk Kultur
 
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